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Repräsentation von Menschen mit Behinderung durch und in der Kunst, bzw. Darstellung der Themen mit künstlerischen Mitteln:

Sühnestein von Udo Kurz

Der bereits im Jahr 1992 von den Fittingen errichtete Sühnestein wurde am 11. Mai 2020 um eine Tafel mit Erläuterungen zu Sinn und Bedeutung eines solchen Symbols ergänzt. Wir haben damit auf Fragen der Betrachter*innen reagiert. Das Mindener Tageblatt berichtete.

Wir bedanken uns bei der Sparkasse Minden-Lübbecke für die Unterstützung dieses Projekts.


 

Zerrissen und doch ganz     - es ist keine Bildbeschreibung verfügbar -

In 2000 und 2001 gestalteten die Fittinge mit vielen Künstlern ein mehrmonatiges Kunst- und Kulturfestival „Zerrissen und doch ganz" mit verschiedensten, z. T. auch nachhaltigen Aktionen und Werken.


 

Errichtung des "Sühnestein 1992" des Mindener Bildhauers Udo Kurz

Am 6. Dezember 1992 errichteten die Fittinge den "Sühnestein 1992", den der Mindener Bildhauer Udo Kurz erarbeitet hatte, und übergaben ihn den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Minden, stellvertretend für diese dem damaligen Bürgermeister Siegfried Fleissner.

Udo Kurz führte damals aus:

"Ich könnte ihn auch Schuldstein nennen, denn er hatte in den  - es ist keine Bildbeschreibung verfügbar -vergangenen Jahrhunderten mindestens zwei wichtige Funktionen Zum ersten sollte er eine über Generationen geführte Blutrache verhindern, zum Zweiten konnte sich ein Totschläger mit dem Setzen eines Sühnesteines und der Zahlung eines Geldbetrages freikaufen".

Auf den zweiten Aspekt des Sühnesteines kommt es mir an.

Auf Grund dieser merkwürdigen Rechtsregelung bis weit über das späte Mittelalter hinaus, möchte ich versuchen eine Parallele zu ziehen zum denkwürdigen Jahr 1992.

Ich werfe die Frage auf, angesichts des schon wieder eskalierenden Faschismus: Pflegen wir heute noch eine ziemlich verlogene Tradition? Waren alle Mahnmale zum Gedenken an den Holocaust vor 1945 nur eine fadenscheinige Gewissensberuhigung, ein Akt des Freikaufens, der vor allen Dingen von der Verantwortung des einzelnen Bürgers ablenken sollte? Oder gar verlegene Lippenbekenntnisse, mit hohem finanziellem Aufwand betrieben?

Dafür, und für nichts anderes, werden die vielen Mahnmale stehen, wenn es uns nicht gelingt, einen neuen Holocaust im Keim zu ersticken.

Durch den Bau dieser Mahnmale sind wir Bürger nie aus der Verantwortung für die Zukunft entlassen worden. Einig müssen das falsch verstanden haben. Nicht zuletzt auch auf Grund von sonderbaren Begrifflichkeiten, wie zum "Gedenken an die Opfer der Gewaltherrschaft", die scheinbar über unser Volk gekommen ist wie eine Naturgewalt.

So werden heute wieder die gleichen Fragen gestellt: Woher kommt das jetzt wieder? - so als ginge es um ein nicht erklärbares Phänomen. Und so plötzlich? " als hätte niemand bemerkt, dass diese Entwicklung hin zum Faschismus sich schon vor vielen Jahren abzeichnete.

Auf Grund dieser Situation wurde mir klar, nicht noch ein solches Mahnmal zu bauen, mit dieser Tradition zu brechen.


Der Sühnestein 1992, den ich mit den Fittingen aufgestellt habe, steht für eine andere Qualität. Er soll klar machen, dass wir alle, und ich beziehe mich natürlich mit ein, eine Schuld tragen, zumindest eine Mitschuld:

Die Täter wie auch die Beifallklatscher und die passiven Zuschauer nicht minder. Die vielen, die Verständnis aufbringen können für die neuen Pogrome und die Schuldigen natürlich nicht in ihrem Umfeld sehen.

Auch die, die aufste
  - es ist keine Bildbeschreibung verfügbar -hen gegen diesen primitiven und unsinnigen Terror, wenn sie nicht stark genug sind und nicht alle Kräfte mobilisieren. Wenn sie nicht endlich eine deutliche Sprache sprechen und die Dinge beim Namen nennen. Wenn sie zurückschrecken, weil ihr Handeln, oft behindert von einigen Autonomen, von einigen so genannten "Demokraten" in dieser Gesellschaft, als Terror von links bezeichnet wird. Diese Menschen wollen nur ablenken vom eigentlichen Problem, dessen Nährboden sie selbst bereitet haben.

Eine gewisse Portion Anarchie hat unserer Gesellschaft noch nie geschadet. Wie hätten wir sonst mit einigen unsinnigen Traditionen brechen können?


Es gibt keinen Terror von links oder rechts: Wo aus politischen Gründen gefoltert, getötet und gemordet wird, um Macht zu erlangen " da ist Faschismus.

Schon die allernächste Zeit wird zeigen, ob das Aufstellen des Sühnesteines 1992 ein Akt des "Freikaufens" war oder ein Gedenkstein zur richtigen Zeit, der an eine hoffentlich nur kurze Episode der Verirrung und stumpfsinniger Dummheit einiger weniger erinnert.

Er wird dafür stehen, schon jetzt klarzumachen, dass niemand sich aus der Verantwortung entziehen kann; denn Verantwortung hat man in einer demokratischen Gesellschaft; sie muss einem nicht erst, von wem auch immer, gegeben werden.

Wir müssen verhindern, dass die Würde des Menschen oft erst dann eingefordert wird, wenn schon Mord und Totschlag sich etabliert haben. Denn wenn es dann zu spät ist, wollen alle wieder nur Opfer gewesen sein."


Udo Kurz, Bildhauer